Fachwissen ist wichtig, aber längst nicht alles, findet Roman Stein, CFO von Swiss Life Schweiz. Wie der studierte Physiker über gute Führungskultur und Work-Life-Balance denkt.

Roman, welche Firmenkultur lebst du deinen Mitarbeitenden vor?
Es würde mich freuen, wenn meine rund 130 Kolleginnen und Kollegen im Bereich Finanzen und Aktuariat mitnehmen, dass fachliches Wissen nur ein Teil eines grösseren Gesamtpakets ist. Ich möchte aufzeigen, dass Arbeiten Spass machen kann und auch soll. Mir ist es wichtig, dass der Mensch auch in einem sehr komplexen, zahlenlastigen und schnellen Umfeld nicht zu kurz kommt.

Nun bist du als CFO aber Herr der Zahlen. Und wenn die nicht stimmen, …
… dann haben wir natürlich ein Problem. Klar, die Zahlen, der Gewinn, das ist sozusagen das Brot-und-Butter-Geschäft. Aber mein Bereich, und jedes Unternehmen, und auch die grosse, weite Welt da draussen bestehen ja aus Menschen. Und uns als Unternehmen gibt es nur, weil es entsprechende menschliche Bedürfnisse gibt. Jeder und jede von uns hat doch den Anspruch, für sich den Weg zu finden, der am ehesten den eigenen Bedürfnissen und Wünschen entspricht. Die Menschen dabei zu unterstützen, ihren eigenen, selbstbestimmten Weg zu gehen, das leben wir im Unternehmen nach aussen wie nach innen.

Wie gestaltest du Entscheidungsprozesse innerhalb deiner Teams?
Als Unternehmen haben wir eine gewisse Grösse, die uns den Luxus erlaubt und die Ressourcen bietet, auch mal etwas auszuprobieren. Und trotzdem sind wir klein genug, um rasch Entscheidungen zu fällen. Die Leute kennen sich, gehen miteinander Mittag essen und vieles läuft sehr unkompliziert.

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Du hattest früh Führungspositionen inne. Was hat dir auf deinem beruflichen Weg geholfen?
Es gehört auf der einen Seite natürlich immer auch ein bisschen Glück dazu. Auf der anderen Seite hatte ich viele gute Vorgesetzte, von denen ich einiges lernen konnte. Auch habe ich ein, zwei Vorgesetzte gehabt, von denen ich gelernt habe, wie ich es definitiv nicht machen möchte. Und ich konnte meine Führungsspanne kontinuierlich aufbauen. Ich wäre komplett überfordert gewesen, wenn ich direkt zu Anfang ein Team von 20 Leuten hätte führen sollen. Denn die sogenannten Soft-Faktoren waren für mich als Physiker nicht unbedingt das Erste, was ich draufhatte. Das musste ich lernen, denn für gute Führung sind sie mindestens so wichtig wie Fachwissen.

Was würdest du jemandem raten, der eine Führungsposition anstrebt?
Auch wenn kurzfristig andere Taktiken Erfolg zeigen mögen: Langfristig zahlt es sich aus, sich selbst treu zu bleiben. Es ist nicht immer einfach, auch mal «nein» zu sagen, zum Beispiel etwas nicht zu tun, weil es sich für einen nicht richtig anfühlt.

Wenn du die heutige Absolventen-Generation mit deiner Generation vergleichst: Fallen dir Unterschiede auf?
Die heutigen Absolventen sind selbstbewusster als meine Generation vor 20 Jahren. Das kann ich, das will ich und wenn ich das hier nicht bekomme, dann gehe ich woanders hin. Sie überlegen sich nicht unbedingt, ob sie sich das leisten können. Und genau das finde ich super. Weil auch das etwas ist, das für die Selbstbestimmung steht. Früher war man in den ersten zehn Jahren im Berufsleben eher im Karrieredenken verhaftet. Erst wenn du dir eine gewisse finanzielle Freiheit geschaffen hattest, konntest du selbstbestimmt sein.

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Sich selbst treu zu bleiben, zahlt sich aus.

Was hat dich in die Versicherungsbranche verschlagen?
Am Ende meines Physikstudiums habe ich gemeinsam mit Freunden eine IT-Firma gegründet, in einem ähnlichen Geschäft wie Google, im Bereich Datenbanken. Damals, Anfang der Nullerjahre, war das ein junger, aufstrebender Sektor, wir hatten Know-how, das gefragt war. Und das brachte mir ein ziemlich gutes Angebot der Zurich Versicherung ein. Damals dachte ich mir: Hey, das machst du jetzt mal für ein paar Monate. Daraus wurden dann über 14 Jahre.

Und die Firma, was wurde aus der?
Wir waren an einem Punkt, an dem wir gesagt haben: Entweder wir machen das jetzt zu 100 Prozent und stellen Leute ein und wachsen, oder wir lassen es. Ich hatte schnell recht viel Verantwortung übertragen bekommen in meinem Job und das mit der Selbständigkeit ging nicht mal eben so nebenbei. Meinen beiden Kollegen ging es ebenso. Am Ende sind wir den zweiten Weg gegangen. Wahrscheinlich fehlte uns auch der Mut. Klar habe ich mich schon mal gefragt: Was wäre gewesen, wenn wir unsere Idee damals weiter vorangetrieben hätten, andere Firmen haben damit Erfolg gehabt. Andererseits bin ich jemand, der im Hier und Jetzt sein Glück sucht.

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Roman Stein, Jahrgang 1974, ist CFO von Swiss Life Schweiz. Parallel zum altsprachlichen Gymnasium absolvierte er die Fliegerische Vorschulung der Schweizer Luftwaffe (heute SPHAIR). Statt für die Ausbildung zum Militärpiloten entschied er sich dann aber fürs Physikstudium an der ETH Zürich. Roman Stein hatte während gut 14 Jahren bei der Zurich Insurance Group verschiedene Führungspositionen inne, darunter das gruppenweite Controlling, Forecasting und Management Reporting. Nach einem Abstecher als CFO einer grossen Krankenversicherung ist er seit Januar 2017 Leiter Finanzen & Aktuariat bei Swiss Life Schweiz und Mitglied der Geschäftsleitung Schweiz.

Was ist, wenn im Hier und Jetzt etwas nicht passt?
Dann versuche ich, etwas daran zu ändern. Dafür bin nur ich allein verantwortlich, das ist mir wichtig. Gleichgültigkeit ist etwas, das mich nervt. Wenn ich zum Beispiel nur zur Arbeit komme, weil ich muss, dann ist es an der Zeit, mir zu überlegen, ob es vielleicht etwas gibt, das ich lieber machen würde. Natürlich gibt es im Leben auch gewisse Zwänge, aber letztlich haben wir viel in der eigenen Hand und können etwas daraus machen.

Was ist dein Ausgleich zum Job?
Familie, Partnerin, Freunde und Sport. Wobei Work-Life-Balance für mich nie wirklich ein explizites Thema gewesen ist; es hat für mich einfach gepasst. Vielleicht, weil ich in einer Generation aufgewachsen bin, die das gar nicht mehr so scharf getrennt hat. In der heutigen Gesellschaft bist du selten wirklich offline. Dafür kannst du zwischendurch raus aus dem Büro und zwei Stunden schwimmen gehen. Früher undenkbar. Das Leben besteht für mich aus vielen verschiedenen Puzzleteilen und diese Teile müssen – für jeden individuell – im Ganzen zusammenpassen. Ich schaffe es für mich ganz gut, diese Inseln für Freizeit neben dem manchmal etwas hektischen Alltag zu finden.

Hast oder hattest du so etwas wie einen Karriereplan?
Nein. Aber ich habe ein ungefähres Bild davon gehabt, was ich gerne mal erreichen möchte. Mit 27 oder 28 habe ich auf einem Talent-Workshop gegenüber einer HR-Mitarbeitenden den Wunsch geäussert, irgendwann CFO zu werden. Die Kollegin hat mich damals etwas erstaunt angelächelt und gefragt, wie ich mir das denn genau vorstelle. Ich glaube, sie fand meine Haltung ziemlich arrogant. Ich war und bin selbstbewusst, ja. Aber für mich hat das nichts mit Arroganz zu tun. Ich habe nur versucht, mir gemäss meinen Interessen zu überlegen: Wo will ich hin? Und ich finde, sich diese Gedanken zu machen, lohnt sich für jede und jeden.

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