Anne Challandes (54) hat sich für ihren Beruf entschieden, ohne sich dabei die Frage nach dem Geld zu stellen. Das holt sie nun nach.

Als junge Frau haben Sie sich für die Arbeit auf dem Bauernhof und gegen eine Karriere als Juristin entschieden und damit auf viel Geld verzichtet. Haben Sie das jemals bereut?
Nein, das habe ich nie bereut. Das war damals ein bewusster Entscheid – und es war vor allem mein persönlicher Entscheid. Mir kam es nie so vor, als hätte ich auf etwas verzichtet. Im Gegenteil: Erst mein Entscheid ermöglichte es mir und uns, so zu leben und zu arbeiten, wie wir es uns vorstellen.

Wie meinen Sie das?
Mir war es wichtig, unseren Kindern und unserer Familie dieses Leben auf dem Hof zu ermöglichen. Das ging nur, wenn ich ebenfalls präsent war. Unser Lebensstil hat immer gut zu unseren finanziellen Möglichkeiten gepasst. Wir hatten nie diese Vorstellung von langen Ferien oder grossen Reisen. Wir haben stets zum Geld schauen müssen, ich hatte aber nie das Gefühl, ich müsste mich oder meine Karriere opfern.

Grafik zeigt das Geldprofil von Anne Challandes
Grafik zeigt das Geldprofil von Anne Challandes

Als Juristin hätten Sie aber sicher finanziell besser dagestanden?
Nur auf das Geld bezogen: Ja. Wir hatten dennoch das Privileg, unser Leben so zu gestalten, wie wir es wollten. Wir haben unser Leben stets selbstbestimmt gelebt, da gehört auch eine gewisse finanzielle Sicherheit dazu. Ich bin mir bewusst geworden, dass in der Gesellschaft die unbezahlte Arbeit nicht geschätzt wird. Manchmal scheint mir, Geld sei die einzige Form der Anerkennung für die Arbeit. Wie oft habe ich gehört: «Du hast Glück, dass du nicht arbeitest.» Das stimmt natürlich nicht. Vier Kinder grosszuziehen und mit meinem Mann einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen, ist keine Kleinigkeit. Ich hatte zu Beginn bloss keinen Lohn bezogen.

So geht es vielen Frauen auf Bauernhöfen.
Das stimmt. Deshalb ist mir die Selbstbestimmung der Bäuerinnen und Landfrauen ein grosses Anliegen. Es gibt ein Umstand, der die Dringlichkeit meines Engagements veranschaulicht: Eine Mehrheit der Frauen auf den Bauernhöfen in der Schweiz arbeitet unentgeltlich auf dem Hof mit. Und ohne Lohn keine soziale Absicherung.

Was heisst das konkret?

Diese Frauen sind eine wichtige Säule im Betrieb. Sie sind eine Stütze, ihre Arbeit ist essenziell. Wird sie nicht entlöhnt, stehen diese Frauen im Falle einer Trennung oder Scheidung mittellos da. Das heisst auch, dass ihre Sicherheit und Vorsorge alleine von ihrem Mann abhängig ist. Das ist ein Problem für die Frauen und für die ganze Familie. Denn ohne Lohn erhalten Frauen zum Beispiel auch keine Mutterschaftsversicherung.

Anne Challandes steht vor dem Stall ihres Bauernhofes.

Anne Challandes ist Präsidentin des Schweizerischen Bäuerinnen- und Landfrauenverbands und Vizepräsidentin des Schweizer Bauernverbands. Die Rechtsanwältin führt mit ihrem Mann und ihrem ältesten Sohn einen Biohof in Fontainemelon NE, seit die Kinder erwachsen sind, engagiert sich die 54-Jährige für die Anliegen der Landfrauen und Bäuerinnen. Ein wichtiges Element dabei: die finanzielle Unabhängigkeit.

Wie wollen Sie diesen Missstand beheben?
Es gibt zwei Ebenen, auf denen wir handeln. Wir müssen die Frauen sensibilisieren und auf ihre Rechte aufmerksam machen. Und wir müssen die Familien ansprechen: Der Schutz der Frau liegt auch in der Verantwortung und im Interesse des Ehepartners. Ich weiss, es ist nicht sehr romantisch, aber als Paar muss man sich mit den unangenehmen Fragen auseinandersetzen.

Die wären?
Was passiert bei einem Todesfall? Einer Invalidität? Wie regeln wir die Trennung oder gar Scheidung? Wie organisiert man den Ruhestand?

Sie wissen als Anwältin um die dunklen Seiten des Lebens. Haben Sie sich damals entsprechend abgesichert?
Als Juristin kannte ich die Risiken in einer Ehe, das stimmt. Wir haben geheiratet, wir waren sehr verliebt – und wir regelten nichts. Oder nicht offiziell. Wir haben über alles geredet. Und ich arbeitete am Anfang ja auch nicht auf dem Hof, sondern als Juristin. Wir haben unsere Vorsorge stets sorgfältig organisiert und auch allfällige Risiken abgesichert. Später habe ich ein Gehalt bezogen.

Als Sie Kindern hatten, gaben Sie diesen Job auf und blieben zuhause…
Sagen wir es so: Wenn man jung ist, ist man sich der Risiken nicht immer bewusst. Oder man will sie nicht sehen. Ich bin gut ausgebildet und das gab mir eine gewisse Sicherheit: Ich wusste, wenn etwas schief läuft, dann finde ich eine Arbeit und kann für mich sorgen.

Hätten Sie sich nicht manchmal gewünscht, mehr Geld zu haben?
Nein, das hatte ich nie. Bei uns war der Monat finanziell gesehen nicht schon am 15. oder 20. zu Ende. Wir konnten stets unsere Rechnungen bezahlen und am Ende des Monats etwas auf die Seite legen. Das ist nicht für alle selbstverständlich. Aber natürlich haben auch wir uns ausgemalt, was wir mit einer Lotto-Million anstellen würden. Wie wir das Geld in unseren Betrieb investieren, welche Maschine wir anschaffen und welchen Luxus wir uns vielleicht leisten würden. Bloss haben wir nie Lotto gespielt.

Wie wichtig ist Geld für Sie persönlich?
Es ist wichtig, genug davon zu haben, um davon zu leben. Aber ich definiere mich nicht über das Geld, das ich besitze. Seit unsere Kinder erwachsen sind, habe ich einige Ämter übernommen. Diese zusätzlichen Entschädigungen fliessen zu einem grossen Teil in unsere Altersvorsorge.

Keine unvernünftigen Ausgaben?
Natürlich erlaube ich mir von Zeit zu Zeit einen kleinen Luxus. Ein Geschenk, Blumen, auswärts essen, einen Ausflug, eine Aufmerksamkeit, die jemandem Freude bereitet.

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Anne Challandes ist ihren eigenen Weg gegangen – wie selbstbestimmt gestalten Sie Ihr Leben?

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