Der gebürtige Tessiner Niccolò Castelli ist Filmregisseur, Drehbuchautor und seit Sommer 2022 der neue künstlerische Leiter der Solothurner Filmtage. Die Entwicklung und die Förderung des Schweizer Films liegen ihm am Herzen – das Geschichtenerzählen hat er im Blut. So feierte er mit seinen eigenen Filmen bereits internationale Erfolge. Wir haben mit ihm über die Schweizer Filmwelt sowie über Freiheit und seine Definition von Selbstbestimmung gesprochen.

Niccolò Castelli, künstlerischer Leiter der Solothurner Filmtage, über den Schweizer Film und ein selbstbestimmtes Leben

Ihr letzter Spielfilm «Atlas» eröffnete die 56. Solothurner Filmtage. Jetzt sind Sie der neue künstlerische Leiter des Festivals. Was bedeutet das für Sie?
Mit meinem Film aus der italienischsprechenden Schweiz die Filmtage eröffnen zu dürfen, war eine grosse Ehre für mich. Es erfüllte mich mit Stolz und gab mir die Möglichkeit, eine Brücke zwischen der Kultur und den Sprachen in der Schweiz zu bauen. Die Aufgabe als künstlerischer Leiter des Festivals wird ein grosses Abenteuer, auf das ich mich sehr freue.

Sie kennen die Filmbranche schon lange. Was fasziniert Sie daran?
Geschichten zu erzählen, war schon immer meine grosse Leidenschaft. Ich bin ein Mensch, der auf die Strasse geht und sowohl die Geschichte als auch die Emotionen spürt – und genau diese möchte ich den Leuten weitergeben. Die Rolle als Filmemacher erlaubt es mir, meine Geschichten und tausend weitere zu erzählen. Ich kann den Zuschauerinnen und Zuschauern eine sinnbildliche Brille aufsetzen und sie in das Geschehen einbinden. Das fasziniert und inspiriert mich.

Was gefällt Ihnen insbesondere an den Schweizer Filmen?
Schweizer Filme sind mit sehr viel Leidenschaft verbunden. Wir machen keine Hollywood-Filme mit rotem Teppich und viel Schein. Wir haben spannende und einzigartige Geschichten, die erzählt werden wollen. Es gibt vier Sprachregionen, Einheimische, Auslandsschweizer und -schweizerinnen mit unterschiedlichen Wurzeln und Hintergründen – und alle zeigen in ihren Filmen, was die Schweiz für sie bedeutet und wie sie hier leben. Diese Filme können für uns Schweizerinnen und Schweizer eine wichtige Rolle im Finden unserer Identität spielen.

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Niccolò Castelli (40) ist neuer künstlerischer Leiter der Solothurner Filmtage. Sein letzter Spielfilm «Atlas» eröffnete die 56. Ausgabe der Solothurner Filmtage. Zuvor war er zweimal Teil der Auswahlkommission für das Filmprogramm. Der aus dem Tessin stammende Filmschaffende studierte in Bologna und Zürich, wo er 2008 einen Film-Master an der ZHdK abschloss. Als Regisseur feierte er internationale Erfolge und durfte sein Langfilmdebüt «Tutti Giù» am Locarno Film Festival zeigen.

Sie setzen sich auch stets für die Förderung und die Entwicklung der Schweizer Filmbranche ein. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Die Filmförderung und die Entwicklung sind ein Weg für mich, um Geschichten zu erzählen. Filme machen ist Teil der Gesellschaft – wir sind Teil der Gesellschaft. Ich finde, die Filmbranche muss näher an das Publikum rücken. Die Zuschauerinnen und Zuschauer sollen verstehen, was hinter dem Filmemachen steckt. Filme geben nicht zwingend Antworten auf alle Fragen der Gesellschaft, sondern wir nehmen sie auf, geben deren Kontext wieder und regen zur Diskussion an. Das finde ich sehr wichtig und spannend.

Solothurn ist ab Januar die Filmhauptstadt der Schweiz. Was macht in Ihren Augen den Besuch des Festivals lohnenswert?
Natürlich können die Menschen Filme zu Hause oder unterwegs streamen. Aber dabei fehlt ein wichtiger Aspekt, den sie nur bei uns vor Ort erleben können: der Austausch. Nach einem Film kann man reden und diskutieren. Während eines Filmes kann man die Emotionen anderer Zuschauerinnen und Zuschauer spüren. Das ist etwas Besonderes und Essenzielles. Unser Ziel ist es, den Hintergrund eines Filmes aufzuzeigen und wie dieser mit der Gesellschaft, der Geschichte zusammenhängt.

Worauf freuen Sie sich am meisten?
Ich freue mich auf den Austausch mit den Menschen am Festival. Es hat viele Leute vor Ort mit grossem Wissen über die Schweizer Filmwelt. Dieser Austausch ist sehr inspirierend für mich. Aber genauso derjenige zwischen Publikum und Filmkennern und Filmkennerinnen. Ich bin mir bewusst, dass es auch kritische Stimmen geben wird. Aber auf diese Diskussionen freue ich mich besonders, weil durch Konflikte die besten Lösungen für die Zukunft entstehen.

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Ich erzähle keine Geschichten, weil ich Filmemacher bin, sondern ich mache Filme, weil ich gerne Geschichten erzähle.

Welche Rolle spielen Freiheit und Selbstbestimmung für Sie?
Frei zu sein, ist nicht ganz einfach, denn es bedeutet, sich selbst zu sein. Für mich ist es eine konstante Recherche und Entwicklung. Freiheit bedeutet für mich aber auch, die richtigen Kompromisse mit sich selbst zu machen. Überall muss man Kompromisse eingehen, auch beim Film und natürlich auch beim Filmfestival.

Fühlen Sie sich als Drehbuchautor und als Filmemacher selbstbestimmt?
Selbstbestimmung bedeutet für mich, nicht alles perfekt zu machen. Ich habe bereits schlechte Erfahrungen in meinem Leben gemacht und werde bestimmt auch noch weitere schlechte Entscheidungen treffen. Das gehört dazu, das ist ein Teil von meinem Leben. Das Zusammenspiel aller Elemente, sowohl der guten als auch der schlechten, bedeutet für mich, selbstbestimmt zu leben.

Gibt es einen Entscheid in Ihrem Leben, auf den Sie besonders stolz sind?
Nach dem Abitur hatte ich einen guten Job beim Radio. Es gefiel mir sehr gut, aber trotzdem wollte ich mich weiterbilden und interessierte mich für ein Studium in Italien. Ich wusste nicht, ob ich diesen Schritt wagen sollte. Meine Eltern haben mich stets unterstützt, ihr einziger Rat war: «Mach, was du willst, aber mach es gut!» Das bedeutet, dass ich meine Komfortzone verlassen musste. Damals war es nicht einfach für mich. Ich bin aber sehr froh, diesen Schritt gewagt zu haben, denn sonst hätte ich jetzt nicht die Erfahrung, die ich heute habe.

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Wie steht es um Ihre Vorsorge?
Ich habe früher nie gross an das Thema Vorsorge gedacht, weil alles immer sehr spontan war für mich. Mittlerweile habe ich aber verstanden, dass Vorsorge und die Zukunft planen wichtig sind. Auch wenn unsere Filmwelt sehr spontan ist, ist es wichtig, über unsere Zukunft nachzudenken. Ich habe einen Sohn und eine Familie und muss daher auch darüber nachdenken, wie ich ihnen Sicherheit garantieren kann. Gerade die letzten Jahre haben mir aufgezeigt, dass wir nicht wissen, was passiert. Und eine Vorsorge gibt uns eine gewisse Sicherheit für die Zukunft. Es erlaubt uns, etwas weniger Stress im Alltag zu haben.

Wofür geben Sie am meisten Geld aus?
Ich gebe generell nicht sehr viel Geld aus. Als Selbstständiger muss man gut kalkulieren. Reisen und die Welt entdecken war aber für mich schon immer das Wichtigste und auch kulturelle Dinge wie eine Platte kaufen, einen Film schauen oder an ein Konzert gehen. Das ist mir wichtig, weil es für mich wie Nahrung ist.

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Swiss Life fördert die Schweizer Filmkultur und trägt dazu bei, dass die Kulturschaffenden ihren eigenen künstlerischen Weg verfolgen können. So engagiert sich Swiss Life seit 2008 bei den Solothurner Filmtagen als Hauptsponsorin und ist Preisstifterin des beliebten Publikumspreises «PRIX DU PUBLIC».

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