Seit drei Jahren leitet Dr. Severin Dressen mit dem Zoo Zürich die meistbesuchte Freizeit- und Bildungseinrichtung der Schweiz. Eine Lebensaufgabe, bei der ihm die Vorsorgestrategie seiner Eltern zu Hilfe kommt.
Herr Dressen, der Zoo Zürich bietet eine riesige Vielfalt an Nutzungsmöglichkeiten. Wenn Sie frei von Verpflichtungen sind: Wie sieht dann Ihr Gang durch den Zoo aus? Wo verweilen Sie?
Einer meiner absoluten Lieblingsorte ist die Lewa Savanne. Etwas wetterunabhängiger ist bei uns der Masoala Regenwald – wann immer ich ein paar Minuten habe, zieht es mich dorthin.
Was erlebt man dort?
Das geballte Leben im Regenwald. Etwa wenn die Roten Varis – unsere Lemuren – dort von Baumwipfel zu Baumwipfel springen, wenn die Flughunde abends erwachen und eine Runde durch die Halle drehen oder wenn die Bienenfresser im Flug Insekten erbeuten.
Diese Erlebnisse könnte man auch in Madagaskar haben statt auf dem Züriberg.
Logisch. In einer perfekten Welt bräuchte es keine Zoos. Nur sind wir leider weit entfernt von einer perfekten Welt. Darum braucht es Zoos heute dringlicher denn je. Biodiversitätsschutz funktioniert nur, wenn wir Menschen den Mehrwert sehen. Und wir führen das hier in unseren nachgebauten Lebensräumen exemplarisch vor Augen.
«Ich wurde in meiner
Kindheit von einem Elternhaus geprägt, das sehr auf Vorsorge bedacht war.»
Sie haben Ihren Job vor drei Jahren im jungen Alter von 32 Jahren angetreten. Ist das eine Lebensstelle?
Sieht ganz danach aus! In diesem Job wird einem nicht langweilig. Es gibt keine Routine. Es gibt fast keinen Alltag. Das ist das, was es so unglaublich spannend macht.
Wie selbstbestimmt sind Sie in Ihrer Tätigkeit?
Als Zoodirektor ist man der Leiter eines KMU. Ein Manager – auch wenn ich diese Bezeichnung eigentlich nicht verwende. Ich führe einen Betrieb mit 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und bin dabei einem Verwaltungsrat verpflichtet. Von mir wird erwartet, dass ich vorausschaue und – gemeinsam mit meinem Team – die Leitlinien für die Zukunft des Zoos entwickle. Der Selbstbestimmungs- und Selbstverwirklichungsgrad in meinem Job ist sehr hoch.
«In einer perfekten
Welt bräuchte es keine Zoos.»
Wie steht es diesbezüglich um die Tiere?
Man muss da ganz stark differenzieren, weil man das nicht mit unserem Verständnis der Selbstverwirklichung verwechseln darf. Aus einer biologischen Perspektive geht es darum, dass die Bedürfnisse eines Tieres befriedigt werden. Natürlich ist es klar, dass ein Zoo nur eine endliche Fläche hat. Auch den Tieren steht nur ein endlicher Raum zur Verfügung. Das ist aber gar nicht so relevant. Viel relevanter ist doch die Frage: Gelingt es einem, in diesem Raum die Bedürfnisse, die ein Tier hat, zu befriedigen? Das gelingt mal besser und mal schlechter. Und wo es schlechter gelingt, sind wir stets am Justieren.
Sie wissen ja: Mindestens einmal in jedem Interview mit dem Zoodirektor kommt ein Tiervergleich vor – so auch hier. Welchem tierischen Verhalten ähnelt Ihre Finanzstrategie?
Die Finanzstrategie des Zoos ist tendenziell die des Eichhörnchens. Man sammelt und sammelt und sammelt – und sorgt damit quasi vor. Wir haben keinen einzigen Rappen Schulden und nehmen nie Kredite auf. Wenn wir genügend zusammenhaben, dann fangen wir an zu bauen. Mir entspricht diese Haltung auch privat.
Haben und hatten Sie persönlich immer einen «Notgroschen» oder ein finanzielles Polster?
Es gab Phasen in meinem studentischen Leben, in denen tatsächlich nur noch dieser eine Notgroschen da war. Heute ist es mir wichtig, auch für Phasen, in denen es mal nicht so gut läuft, vorgesorgt zu haben.
Gibt es eigentlich noch etwas anderes in Ihrem Leben – neben der Familie und dem Zoo – , dem Sie ähnlich emotional verbunden sind?
Wenn man das Privileg hat, so einen grossen Zoo leiten zu dürfen, und parallel das Glück hat, auch noch eine Familie mit drei Kindern zu haben, dann gibt es daneben nicht mehr viel, was Platz hat. Konkret: schlafen und essen. Die Hobbys sind alle irgendwann weggefallen. Früher war ich zum Beispiel gerne tauchen. Aber wenn wir mal Zeit haben, gehen meine Frau und ich gerne gut essen.
Dr. Severin Dressen (35) ist gebürtiger Rheinländer. Tiere faszinieren den promovierten Zoologen seit seiner Kindheit. Seit 2020 ist er Direktor des Zoos Zürich. Eine Aufgabe, die Dressen als Lebensaufgabe versteht.
Was bedeutet Ihnen Geld?
Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, in dem Bescheidenheit eine ganz grosse Tugend war. Das heisst, dass man sich immer gut überlegt hat, ob man etwas wirklich brauchte, und nicht einfach Hals über Kopf eine Investition getätigt hat. So halte ich das auch weiterhin. Von dem her bedeutet Geld für mich Sicherheit.
Wurde in Ihrer Kindheit in der Familie über Geld gesprochen bzw. war das ein Thema?
Ja, bei uns im Haus wurde viel über Vorsorgethemen gesprochen. Als Jugendlicher fand ich das eher langweilig. Ich war dankbar, dass das bei meinem Vater angesiedelt war. Inzwischen finde ich es selber auch spannend – weil es um einen selber und die eigene Sicherheit geht.
Viele Kinder würden nach dem Zoobesuch gerne das eine oder andere Tier mit nach Hause nehmen. Sie auch?
Ich nehme mir hier immer mal wieder ein paar Momente raus, um unsere Lebensräume zu geniessen. Und natürlich ist es auch bei mir so, dass ich auf einer emotionalen Ebene das eine Tier hübscher oder spannender finde als das andere. Aber ich werbe tatsächlich dafür, gerade die Tiere, die man vielleicht auf den ersten Blick als gar nicht so spannend wahrnimmt, mal genauer zu betrachten. Das beste Beispiel ist da für mich eine Stubenfliege mit ihren faszinierenden, von feinen Adern durchzogenen Flügeln. Und die habe ich ja schon zu Hause.
Fotos: Lukas Mäder
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