Nina Caprez lebt vom Klettern. Die Herausforderung am Berg habe eine simple Logik, sagt die Prättigauerin: «Du willst da hoch, alles andere ist unwichtig, Bedürfnisse reduzieren sich auf ein Minimum.» So hat sie auch ihren Lebensstil definiert: Nur noch das zu tun, was sie will.

Schlüssel, Portemonnaie, Ausweise – alles weg. «Den ganzen Sommer über war ich praktisch nur in den Bergen, dann komme ich für ein paar Tage in die Stadt und schwupps wird mir die Handtasche geklaut», erzählt Nina, kaum dass wir uns in einem Gasthof im Mittelland hingesetzt haben. Sie klingt weder gestresst, noch genervt, ganz ihrem Motto entsprechend: «C’est la vie». Man nimmt es, wie es kommt.

Es scheint, als bringe sie selten etwas aus der Ruhe. Das überrascht nicht – die 32jährige ist schliesslich an nackten Felswänden in ihrem Element. Hunderte Meter über dem Boden, wo nur noch winzige Strukturen am Fels Halt geben. «Unachtsamkeiten haben dort schnell grössere Konsequenzen als eine verschwundene Handtasche», sagt Nina schmunzelnd.

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Nina gilt als eine der besten Kletterinnen weltweit und pflegt einen Lebensstil, der auf den Moment fixiert ist: «Ich habe nie gross in die Zukunft geschaut. Dafür wollte ich stets die Gegenwart ausreizen, mich in jedem Moment lebendig fühlen und das Gefühl haben, das zu tun, was ich wirklich will.»

Klettern, sagt sie darum, sei weder ihr Hobby noch ihr Beruf – sondern eine Lebenseinstellung: «Es hat mich auf verschiedene Weise zu der Person gemacht, die ich heute bin. In einer Felswand lernt man die kleinen Dinge schätzen: ein Schluck Wasser, ein flacher Absatz, auf dem man sich ausruhen kann, wärmende Sonne oder kühlender Schatten. Alles Dinge, denen wir wenig bis keine Aufmerksamkeit schenken unten am Boden, wo vielleicht Karrieren oder materielle Dinge zählen.»

Aufgewachsen ist sie im Prättigau. Nina ist erst zwei Jahre alt, als der Vater an einem steilen Berghang tödlich abstürzt. «Das war eine schwierige Situation für meine Mutter: drei Kinder, Haushalt, Geld verdienen. Es bedeutete aber auch, dass wir früh zur Selbständigkeit erzogen wurden. Dafür bin ich meiner Mama sehr dankbar, wie sie das gemeistert hat.» In der Jugendorganisation des Schweizer Alpenclubs lernt sie nach ersten Kraxeleien mit ihren Geschwistern in der Kindheit wie man es richtig macht, geht in Kletterlager, ist talentiert, gehört schon bald zum Regionalkader und nimmt an Kletterwettkämpfen teil.

Grosse Wände sind die Spezialität von Nina Caprez

Grosse Wände sind die Spezialität von Nina Caprez
Völlig unbeeindruckt von Höhe, Felsstruktur und Überhängen sucht sich die Extremkletterin ihren Weg nach oben.

Nach der Diplommittelschule steht ihr der Weg an eine Universität offen. Doch sie entscheidet sich fürs Klettern – obschon sie mit den Wettkämpfen aufhört. «Ich wollte mich zwar ganz dem Klettern hingeben, allerdings nicht auf der Wettkampfschiene, wo man gegeneinander antritt. Für mich ist Klettern ein Erlebnis, ein Miteinander. Kein Wettrennen. Ich wollte mich an Felswänden aufhalten, nicht in Kletterhallen.»

Das stösst auch auf Unverständnis. Wer sich mit Sport ein Leben leisten will, muss auf den Wettkampf setzen – so lautete der Tenor. Nina lässt sich davon nicht beirren. Was ihr vorschwebt, findet draussen in der Natur statt, wo sie sich nur den Herausforderungen an Felswänden stellt. «Klettern hat eine simple Logik: Du willst da hoch, alles andere ist unwichtig. Bedürfnisse reduzieren sich auf ein Minimum.» Geld verdienen steht nicht im Vordergrund. «Ich dachte: Je mehr ich klettere, desto weniger brauche ich. Das war vielleicht etwas naiv, doch auch nicht so falsch. Und gut herausgekommen ist es auch.»

«Ca marche» – nur der Wille zählt
Irgendwann erkennt sie, dass sie aus ihrem Bündner Tal raus muss, um sich zu entfalten. Mit 23 Jahren zieht sie nach Frankreich, nach Grenoble wo sie sofort auf Gleichgesinnte trifft. «In Frankreich darf man Überlebenskünstler sein», sagt sie. Die Leute sind begeistert von Ninas Drang zum Fels und dem Geist, den sie verbreitet, sie wird von Ausrüstern unter Vertrag genommen und ist das perfekte Aushängeschild: jung, hübsch und überzeugt von dem, was sie macht. «Ça marche», wie man dort zu sagen pflegt.

Oft zieht sie mit ihrem damaligen Freund Cédric im Kleinbus durchs Land. «Wir dachten nicht daran, was morgen ist, sondern strebten nach dem Erlebnis. Das brauchten wir uns an den Felsen bloss zu holen», erinnert sich Nina. Die beiden gelten als das Traumpaar der Kletterszene, bis es Nina zuviel wird, sie das Gefühl überkommt, nicht mehr mithalten zu können. Stets sind Filmteams dabei und wollen die neuesten Erfolge des Paares festhalten. «Wir jagten von einer Wand zur anderen. Aber nicht mehr bloss aus eigenem Antrieb.»

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Ich wollte stets die Gegenwart ausreizen, mich in jedem Moment lebendig fühlen und das tun, was ich wirklich will.

Schon das Wettkampfklettern hatte sie verlassen, weil sie sich fremdbestimmt vorkam. Trainingspläne, Diäten waren ihr ein Dorn im Auge – ein Widerspruch zur Ungezwungenheit, die sie im Klettern suchte. Sie will wieder ihren eigenen Weg einschlagen, ihr eigenes Tempo gehen, selber bestimmen, was wichtig ist. Seither lebt sie getrennt von Cédric. «Wir sind immer noch gute Freunde. Doch ich spürte, dass ich mich von ihm lösen musste, wenn ich mir treu bleiben wollte», sagt Nina. Mit dem Alleinsein hat sie kein Problem. «Die wahre Liebe in meinem Leben ist das Klettern. Beziehungen und Herzbruch, das kommt und geht», sagt sie.

Nie an die Tiefe denken unter sich
Ihre Spezialität sind grosse Wände, oft hunderte Meter hoch; nur wenige können sich daran so bewegen wie sie. «Wer die Exponiertheit nicht völlig ausblenden kann, hat keine Chance. Man darf nicht an das denken, was passieren könnte. Man muss die Risiken ausblenden und absolut auf sich vertrauen. Natürlich darf man sich auch nicht kopflos in eine gefährliche Situation begeben. Es braucht viel Mut und Erfahrung.» In anderen Worten: Denkt man an die Tiefe unter sich, was der Kopf zwangsläufig tun will, so versagt man. Zwar ist man von einem Seil gesichert, das verhindert, dass man bis auf den Boden fällt. Doch zur Fortbewegung hilft das nichts. «Man kann trotz des Seils weit fallen, denn es fängt einem ja erst bei der letzten Zwischensicherung auf», erklärt Nina. «Über den Haken hinauszuklettern braucht viel Mut, in grosser Höhe erst recht.»

Aber «C’est la vie». Man nimmt es, wie es kommt.

Text: Dominik Osswald
Bilder: Sam Bié, Tobias Sutter, Stefan Schlumpf
Video: Onsightfilm

Biografie

Vom Geologen, Alpinisten und Journalisten Dominik Osswald ist im Verlag kurz&bündig das Buch «Nina Caprez. Sportkletterin. Höhlenforscherin. Wahlfranzösin.» erschienen. Bei Interesse kann es hier bestellt werden.

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Daniel Steiner Generalagent Generalagentur Zürich-Binz

Kontakt: 043 284 79 95, Daniel.Steiner@swisslife.ch

«Wenn man jung ist und seine Träume leben will, denkt man meist nicht an die Vorsorge oder an finanzielle Risiken. Ein einfacher Vorsorge- und Versicherungscheck ist aber in dieser Lebensphase sinnvoll.» Als Anbieterin von umfassenden Vorsorgeund Finanzlösungen begleitet Swiss Life auch junge Erwachsene. Bei der Beratung wird das Augenmerk darauf gelegt, welche Vorsorge und welche Sach- und Vermögens- versicherung in der aktuellen Situation Sinn machen. Geprüft wird zum Beispiel, ob die Krankenversicherung zu den Bedürfnissen passt und ob die Deckung der Autoversicherung ausreichend ist. Auch geht es um die ersten Schritte in Richtung Vermögensaufbau. Jungunternehmern erklärt der Berater, was bei der Gründung eines Start-ups zu beachten ist. swisslife.ch/berufseinstieg

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