Keine hat so viele Tore für die Schweiz geschossen wie sie: Die 28-jährige Thunerin Ana-Maria Crnogorčević ist Stürmerin der Fussball-Nationalmannschaft der Frauen und spielt in der US-Profiliga. Sie träumt von vollen Stadien und Chancengleichheit.

Wie kamst du zum Fussball?
Durch meinen Vater, der spielte selber in einer kleineren Liga. Ich kam dann am Samstag mit und spielte nebendran auf dem kleinen Feld. Und im Quartier natürlich, da sind wir draussen mit den Jungs am Tschuten gewesen, bis es abends dunkel wurde.

Wann zeichnete sich ab, dass du eine Profikarriere machen willst?
Lang hat mich Frauenfussball gar nicht interessiert, ich habe mit den Jungs gespielt und wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich sie nie verlassen. Aber mit 14 war es klar, dass ich zum Frauenteam wechseln musste. Das erste halbe Jahr war schrecklich, ich musste mich umgewöhnen. Mit 18 erhielt ich ein Angebot der Bundesliga in Hamburg; spontan sagte ich zu und schon war ich Profifussballerin.

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Das heisst, seit 18 hast du alles auf die Karte Fussball gesetzt?
Ich habe immer gespielt, aber nebenher eine Ausbildung gemacht. Alles andere hätten meine Eltern nicht akzeptiert und auch ich finde, dass Schule wichtig ist und den Charakter formt. Und mir war immer bewusst: Es braucht nur eine Verletzung und man ist weg vom Fenster.

Welche Ausbildung hast du gemacht?
Das KV. Es war natürlich hart. Mit 18 stand ich um sechs auf, ging zur Schule, danach gleich ins Training und wenn ich nach Hause kam, war weder der Kühlschrank voll noch die Wäsche gemacht. Ich musste alles selber erledigen.

Heute spielst du in den USA. Wie gefällt es dir dort?
Sehr gut! Ich hätte schon früher nach Amerika gehen sollen. Mit Portland habe ich ein super Team erwischt, zu unseren Heimspielen kommen jeweils über 18 000 Zuschauer. Das macht mich glücklich. Spannend ist auch, dass der Fussballstil ganz anders ist.

Inwiefern?
Die Spielweise ist härter, physischer. Zu Beginn kam ich an meine Grenzen, auch weil wir teilweise bei über 40 Grad und einer Luftfeuchtigkeit von 95 Prozent spielen. Weil die Distanzen so gross sind, verbringen wir auch viel Zeit im Flugzeug.

SCHWEIZ

Ana-Maria Crnogorčević, Jahrgang 1990, geboren in Steffisburg BE, ist eine schweizerisch-kroatische Fussballspielerin. Die Stürmerin und Verteidigerin spielt für die Portland Thorns, USA, und für die Schweizer Nationalmannschaft, deren Rekordtorschützin sie seit 2016 ist.

Hat Frauenfussball in den USA einen höheren Stellenwert?
Auf jeden Fall. Manche Spielerinnen der Nationalmannschaft sind Stars und haben Werbedeals mit Unternehmen wie Coca-Cola oder Nike. Amerika hat eine Vorreiterrolle. In der Schweiz heisst es oft, man könne nicht in den Frauenfussball investieren, weil er zu wenig einbringe. Aber welches Unternehmen verdient erst viel Geld und investiert dann? Bei uns ist es gleich: Mehr Investitionen in den Frauenfussball würden sich auf jeden Fall lohnen.

Gab es auch schwierige Momente in deinem Berufsleben?
Ein Trainer während meiner Zeit in Frankfurt mochte mich nicht und setzte mich auch nicht ein. Da fragt man sich schon, wie man weitermachen will. Und auch jetzt, nach zehn Jahren Profi-Laufbahn frage ich mich manchmal, wie lange ich noch permanent unterwegs sein will und wie lange der Körper noch mitmacht. Aber das überlege ich mir nur zehn Sekunden und dann gehe ich wieder mit Freude ins nächste Training. Im Moment will ich gar nicht aufhören. Aber wenn es mal so weit ist, möchte ich eine neue Karriere in Angriff nehmen.

Hast du bereits Pläne?
Ich kann mir vorstellen, im sportlichen Bereich zu bleiben, darum habe ich ein Fernstudium in Sportmanagement absolviert. Vielleicht mache ich auch den Trainerschein. Als Trainerin wäre ich wohl ein bisschen wie Jürgen Klopp – zu streng und zu emotional –, aber ich hätte Lust, es mal auszuprobieren. Auch habe ich mich schon immer für die Polizeischule interessiert, das könnte auch ein Weg sein.

Was bedeutet für dich ein selbstbestimmtes Leben?
Frauenrechte sind mir wichtig. Warum sollen Männer und Frauen nicht gleich behandelt werden und die gleichen Möglichkeiten haben? Das beginnt schon bei der Ausbildung. Man sollte das machen, was einem entspricht, und nicht das, was andere von einem erwarten. Alle sollen Hauswart oder Arzt werden können, egal ob Mann oder Frau und auch unabhängig von der Herkunft.

Fotos: Keystone/Gaëtan Bally
Kamera: Keystone/Alessandro della Valle

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