Als weltweit erste Börsenchefin hat sich Antoinette Hunziker-Ebneter bereits 1995 für Teilzeitarbeit in Führungspositionen stark gemacht. Seit jeher fördert sie den Aufbau von Finanzwissen und die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

Nach Ihrem Studium haben Sie eine Karriere in der Bankenwelt eingeschlagen und sind der Finanzwirtschaft bis heute treu geblieben. Welche Bedeutung hat Geld für Sie?
Geld ist für mich eine Ressource wie beispielsweise Wasser. Wichtig ist, dass sie im Fluss ist und dass wir verantwortungsbewusst damit umgehen. Das bedeutet für mich, dass wir Geld konsequent nachhaltig anlegen. Die Mehrheit der Weltbevölkerung besitzt nur wenig Geld. Umso wichtiger ist es, dass diejenigen, die es haben, gewissenhaft damit umgehen.

Welches war das grösste Risiko, das Sie in Ihrer Karriere eingegangen sind?
Dass ich mich mit 45 selbstständig gemacht habe. Ich habe mein Erspartes in den Aufbau von Forma Futura, einer unabhängigen, verantwortungsbewussten Vermögensverwaltung gesteckt. Das war ein Risiko, denn ich habe damals auch finanziell für die Familie gesorgt.

Antoinette Hunziker-Ebneter: «Altersarmut ist mehrheitlich weiblich, weil wir so viele Lücken in der Vorsorge haben.»

1995 waren Sie die erste Börsenchefin der Welt in einer männerdominierten Branche – und das in Teilzeit. Mit welchen Herausforderungen hatten Sie damals zu kämpfen?
Meine Chefs, allesamt Männer, haben damals nicht verstanden, dass ich eine Führungsfunktion, auch als CEO, mit 80% erfüllen konnte. Ich habe Monate gebraucht, um sie davon zu überzeugen, dass sie etwa so viel Zeit im Militär verbringen, wie ich zusätzlich meinem Sohn widmen möchte. Als ich es dann durchsetzen konnte, störte es niemanden mehr, dass ich «nur» 80% gearbeitet habe.

Entsprechend waren Familie und Karriere für Sie damals gut vereinbar?
Ja, für mich war es vereinbar. Das war aber nicht selbstverständlich und brauchte viel Organisation, plus einen Partner, der mit mir am selben Strick zog. Ich hatte damals die Herausforderung, dass es an meinem Wohnort keine Kinderkrippe gab. Heute sind Teilzeitstellen selbstverständlicher und auch das Kinderbetreuungsangebot ist ausgebaut. Aber: Wenn die Kinder krank sind, dann ist das System nach wie vor überfordert. Ich sehe, dass die Mütter und die Väter sehr gestresst sind und die Arbeitgebenden auch.

Frau mit Brille vor Bücherregal

Antoinette Hunziker-Ebneter (1960) verfügt über 35 Jahre Erfahrung in der Schweizer Finanzwirtschaft. Bereits als weltweit erste Börsenchefin setzte sie sich 1995 für mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein – mit Erfolg. Heute ist Antoinette Hunziker-Ebneter CEO und Gründungspartnerin der Forma Futura Invest AG, einer auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Vermögensverwaltung, sowie Verwaltungsratspräsidentin der Berner Kantonalbank. Als Mitgründerin der waterkiosk foundation engagiert sie sich zudem für den Zugang zu sauberem Trinkwasser in Schwellenländern. Antoinette Hunziker-Ebneter lebt in Partnerschaft und ist zweifache Grossmutter.

Haben Sie sich damals mit allfälligen Vorsorgelücken aufgrund Ihrer Teilzeitarbeit auseinandergesetzt?
Nein, an allfällige Vorsorgelücken wegen meiner Teilzeitarbeit habe ich gar nicht gedacht. Es war damals kein Thema.

Der Gender Pension Gap, die geschlechterspezifische Rentendifferenz, beträgt hierzulande etwa 30%. Was sagen Sie dazu?
Der hohe Gender Pension Gap stimmt mich sehr nachdenklich. Altersarmut ist leider mehrheitlich weiblich, weil Frauen oft Lücken in der Vorsorge haben. Nach der Geburt meines Sohnes habe ich gekündigt und zwei Monate nicht gearbeitet. Ich hatte damals das Gefühl einer finanziellen Abhängigkeit. Es gab damals noch keinen offiziellen Mutterschaftsurlaub, den gibt es erst seit 2005. An diese zwei Monate erinnere ich mich gut, sie waren für mich sehr beengend. Heute sieht die Situation etwas anders aus. Doch das Wissen in puncto Finanzen und Vorsorge muss noch stark zunehmen.

Illustration von einer männlichen und einer weiblichen Hand, in der Mitte ein Schnuller
Illustration von einer männlichen und einer weiblichen Hand, in der Mitte ein Schnuller

Verliebt, verlobt, versorgt?

Wie sich Erwerbsbiografien und Haushaltsformen auf den Gender Pension Gap auswirken. Hier finden Sie die ganze Studie.

Was raten Sie jungen Frauen?
Ich empfehle allen Frauen, nach ihrem Mutterschaftsurlaub wieder in den Beruf einzusteigen – mindestens 40%, und wenn sie Führungsfunktionen wollen, muss es mehr sein. Natürlich muss die Kinderbetreuung lückenlos gewährleistet sein, besonders wenn die Kinder einmal krank sind. Ebenso ist es wichtig, dass sich Frauen in Bezug auf Vorsorge und Finanzplanung weiterbilden und das bereits vor der Geburt ihres Kindes mit ihrem Partner bzw. ihrer Partnerin besprechen.

Was braucht es, damit Gleichstellung auch finanziell erreicht werden kann?
Die Gesellschaft muss sich mehr Wissen in puncto Finanzen und Vorsorge aneignen – es geht nicht mehr anders, sonst können wir nicht qualifiziert entscheiden. Ich bin der Meinung, dass wir in der schulischen Grundausbildung gezielt Finanzplanung und Vorsorgeplanung anbieten sollten. Dort können wir alle Mädchen und Buben gleichzeitig erreichen. Es ist wichtig, dass diese Ausbildung und der Dialog bereits stattfinden, bevor man ins Berufsleben einsteigt oder ein Studium beginnt.

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Finanzwissen also als Fundament für den weiteren Vorsorgeweg?
Ja, auch die Vereinbarkeit von Familie und Beruf braucht Finanzwissen, denn wir wollen unsere Familien ernähren, unseren Kindern eine gute Ausbildung und uns selbst eine gute Weiterbildung ermöglichen und bis zum Lebensende finanziell unabhängig bleiben.

Fühlen Sie sich finanziell selbstbestimmt?
Ich fühle mich finanziell selbstbestimmt. Ich finde Unabhängigkeit sehr wichtig im Leben, sie ist für mich ein zentraler Wert. Und ich arbeite gerne und nicht wenig dafür.

Frau mit Brille in Büro
Finanzielle Selbstbestimmung bedeutet für mich, dass ich für meinen Lebensunterhalt selbst aufkommen kann und niemanden fragen muss, wofür ich Geld ausgeben möchte.

Was gibt Ihnen diese Zuversicht?
Dass ich gesund bin, arbeiten kann und vielseitig einsetzbar bin – ebenso meine Pensionskasse.

Wissen Sie denn, was auf Ihrem Vorsorgeausweis steht?
Ja, ich nehme den Vorsorgeausweis einmal im Jahr in die Hand und vergleiche ihn mit demjenigen des Vorjahres.

Wofür geben Sie am liebsten Geld aus?
Für Lebensmittel, Ferien, Bücher und Schuhe – in dieser Reihenfolge.

Finanzen sind auch Frauensache!

Erfahren Sie, was Sie gegen Vorsorgelücken tun können.

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