Max Lysser lebt, wovon viele Jugendliche träumen: Zocken als Beruf. Der Zwei-Meter-Mann streamt täglich stundenlang für sein Publikum und kommentiert Games im Sekundentakt. Ferien? Zweitrangig. Dafür lebt er selbstbestimmt seinen Traum. Zu Hause in Glarus erzählt er uns, was sich hinter dem Streaming-Hype wirklich verbirgt.

«Ciao Reto, Brudi! Hey Raphi, Broski, ich küsse dein Herz!» – im Sprechtempo eines Auktionators begrüsst Max (23) alle frenetisch, die seinen Chat betreten. Es ist kurz vor Mittag. Bald startet der erste Stream des Tages. Der gebürtige Herrliberger sitzt mit Headset vor drei Bildschirmen – eine Kamera auf ihn gerichtet. Im Hintergrund macht es sich Kater Loki auf dem Teppich bequem.

Max Lysser: Wer ist das?
Max:
Max ist ein 23-jähriger Junge, der sein Hobby zum Beruf machte. Ich bin Content-Creator, Influencer, Streamer – Gamer kann man mich auch nennen.

Streamer, also – was machst du da genau?
Ich vergleiche das gerne mit einem Fussballspiel: Ich bin Kommentator und Spieler zugleich. Statt Fussball kommentiere ich Video-Games, die ich live spiele und auf TikTok streame. Über den Chat können die Zuschauerinnen und Zuschauer direkt mit mir interagieren. Es ist also alles gleichzeitig: Gaming, Entertainment und Community.

Du gamst, kommentierst und sprichst mit Leuten im Chat?
Ja, ich rede sehr viel mit dem Chat. Er ist ein wichtiger Bestandteil des Streamings. Ich rede mit der Community über Games, das Leben und was sie beschäftigt. Ich rede über alles, was sie gerne hören.

Du bist mehrmals täglich live – wie sieht ein Tag in deinem Leben aus?
Nach dem Frühstück erledige ich den ganzen Bürokram. Um 11.30 Uhr gehe ich dann zum ersten Mal live, bis etwa 13 Uhr. Am Nachmittag stehen meist Meetings mit Kunden und Partnern an. Abends geht’s dann richtig los: Von 18 bis 20 Uhr wird wieder gestreamt. Nach einer Verschnaufpause folgt die Late-Night-Session, meist bis 1:30 Uhr morgens.

Das Hobby als Beruf – das klingt nach einem Traum. Was hat dich dazu bewogen, «all in» zu gehen?
Ich bewarb mich damals klassisch auf Jobs – und fing nebenbei an zu streamen. Nach drei Monaten lief das so gut, dass ich alles auf eine Karte setzte. Anfangs verdiente ich 2000 Franken im Monat. Damit war ich glücklich. Ich wohnte noch zu Hause, hatte kaum Fixkosten und wurde von meiner Familie unterstützt. Diese Freiheit gab mir den Mut, es einfach durchzuziehen.

Fotografie Portrait Mann sitzend am Schreibtisch
Jeder Influencer trägt Verantwortung: Für junge Menschen, die mir folgen, bin ich ein Vorbild.

Wie viel verdienst du heute?
Im Schnitt verdiene ich 6000 Franken im Monat – mal mehr, mal weniger.

Du streamst auf Mundart. Wäre es nicht lukrativer, auf Hochdeutsch oder Englisch zu streamen?
Nicht unbedingt. In der Schweiz streamen nur wenige auf Mundart. Das ist eine Nische. Aber klar: Wer auf Englisch oder Hochdeutsch erfolgreich ist, backt grössere Brötchen. Ich mache es nicht wegen des Geldes. Deshalb bleibe ich meiner Muttersprache treu.

Du bist selbstständig, jung und selbstbestimmt – aber wie sieht’s mit der Vorsorge aus? Schon mal daran gedacht? 
Vorsorge ist für mich als Selbstständiger ein grosses Thema – zum Glück habe ich eine Mutter, die da sehr genau hinschaut. Ich zahle regelmässig in die AHV ein und auch in die Säule 3a. Mir ist wichtig, dass ich später abgesichert bin.

Bist du eher der Aktien- oder der Sparkonto-Typ?
Da ich noch jung bin, kann ich ein gewisses Risiko eingehen. Ich investiere lieber in Aktien oder Krypto.

Du bekommst Geld von deinen Followern – wie läuft das genau ab?
Auf TikTok kann man Münzen kaufen. Diese setzt man ein, um virtuelle Geschenke zu verschicken, zum Beispiel Rosen, Pandas, Gummibärchen oder Yachten. Diese Geschenke haben einen bestimmten Gegenwert. Davon zwackt TikTok die Hälfte ab – und was nach Steuerabzügen übrigbleibt, landet auf meinem Konto.

Warum sind Menschen bereit, dir Geld zu schenken?
Damit unterstützen mich die Leute in dem, was ich tue. Viele sagen: «Du bist mein Netflix – und dafür zahle ich auch.» Die Geschenke sind komplett freiwillig. Meine Streams sind kostenlos, niemand muss zahlen.

Auf TikTok und Instagram publizierst du täglich Videos. Woher nimmst du deine Inspiration?
Die Ideen kommen aus dem Alltag – aus Situationen, die ich selbst erlebe, aus Geschichten von Freunden oder Erinnerungen von früher. Oft lasse ich mich auf TikTok oder Instagram inspirieren. Dort sehe ich, was gerade läuft und was der Algorithmus belohnt.

Was ist das Schönste an deinem Beruf – und was erfüllt dich daran mit Stolz?
Mein grösster Antrieb ist meine Community. Zu wissen, dass sie hinter mir steht, ist eines der schönsten Gefühle überhaupt. Richtig stolz macht mich, dass auch meine Mutter stolz auf mich ist. Ich bin ein Familienmensch und komme aus einer Grossfamilie mit sechs Kindern, Familie bedeutet mir enorm viel.

Du bist ständig auf Sendung. Wie gehst du mit Stress um?
Meine Verlobte ist mein Ruhepol. Sie ist für mich da, wenn’s stressig wird. Wir können über alles reden. Dafür bin ich ihr sehr dankbar.

Fotografie Portrait Mann laufend draussen
Mein Tipp an mein jüngeres Ich: Mach in schlechten Zeiten genau so weiter wie in guten.

Was machst du als Ausgleich?
Ich gehe spazieren – vor allem in der Nacht. Ich geniesse die Ruhe. Wegen meiner Arbeitszeiten ist es nicht immer einfach, Freunde zu treffen. Manchmal nehme ich einen Abend frei: zum Grillieren, Minigolfen oder für einen Besuch bei der Familie.

Du bist verlobt. Wie viel Platz bleibt bei deinem Lifestyle für Zweisamkeit?
Wir verbringen vor allem Zeit zwischen den Streams. Das klappt momentan gut: Sie ist noch nicht berufstätig und geht bald ins Militär. Abends essen wir gemeinsam und schauen einen Film. Diese Zeit geniessen wir sehr.

Du teilst viel aus deinem Leben – was hältst du privat?
Wenn man live streamt, kann man kein Wort zurücknehmen – da kriegt die Community einiges mit. Aber gewisse Dinge, vor allem Privates rund um meine Beziehung, behalte ich ganz bewusst für mich.

Wie weit gehst du, um die Wünsche deiner Community zu erfüllen?
Ich würde sehr vieles machen. Doch bei Challenges, die meine Gesundheit gefährden, ziehe ich eine rote Linie. In einer TikTok-Challenge beispielsweise binden sich Leute mit einem Seil an ein Auto: Sobald es losfährt, werden sie nach hinten geschleudert. Das ist für mich ein No-Go. Jeder Influencer trägt Verantwortung: Für junge Menschen, die mir folgen, bin ich ein Vorbild. Sie vertrauen mir.

Was rätst du jüngeren Menschen, die Content Creator werden wollen?
Ihr müsst es wirklich wollen. Content Creator zu sein, bedeutet viel Druck: ständig präsent sein, laufend produzieren und alles auch dann durchziehen, wenn es mal nicht läuft. Das braucht Ausdauer, Disziplin und Geduld. Mein Rat: Probiert es aus – aber rechnet nicht damit, dass euch Firmen sofort die Türen einrennen oder das grosse Geld kommt. Erfolg braucht Zeit.

Welchen Tipp würdest du deinem jüngeren Ich geben?
Mein Tipp an mein jüngeres Ich: Mach in schlechten Zeiten genau so weiter wie in guten.

Fotografie Portrait Mann sitzend am Arbeitsplatz mit Monitoren
Im Internet dürfen alle anonym bleiben, was auch gut ist. Aber diese Anonymität hat ihre Schattenseiten.

Gen Z und Alpha sind ständig online: Wie findest du das?
Ich finde es nicht per se schlimm, dass Gen Z und Alpha viel online sind. Das Internet ist eine grossartige Sache – wenn man weiss, wie man damit umgeht. Aber es gibt auch gefährliche Seiten, und genau darauf muss man die Jüngeren aufmerksam machen.

Was ist deine Langzeitvision – wo möchtest du in 20 Jahren stehen?
Streamer werde ich in 20 Jahren wohl nicht mehr sein – aber vielleicht arbeite ich dann hinter den Kulissen, in einer Agentur oder im Marketing. Für mich zählt, dass es etwas ist, das mich weiterhin begeistert.

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