Seit Januar 2023 ist das teilrevidierte Schweizer Erbrecht in Kraft. Mit den neuen Bestimmungen können Sie flexibler und selbstbestimmter entscheiden, wer wie viel Ihres Nachlasses erhält. Sie können neu über einen grösseren Teil Ihres Nachlasses frei verfügen. Unter anderem sind die Pflichtteile für Nachkommen kleiner und der Pflichtteil der Eltern fällt weg. Wir geben Ihnen einen Überblick, worauf Sie bei der Erbschafts- und Nachlassplanung achten sollten.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick
- Den Nachkommen stehen 50% ihres gesetzlichen Erbteils als Pflichtteil zu, vor 2023 waren es 75%.
- Der Pflichtteil der Eltern fällt weg, früher waren es 50% ihres gesetzlichen Erbteils.
- Guthaben der Säule 3a fallen nicht in den Nachlass.
- Mit Abschluss eines Erbvertrags entsteht ein Schenkungsverbot.
- Ehepaare, die sich in laufenden Scheidungsverfahren befinden, können sich neu bereits vor dem rechtskräftigen Scheidungsurteil vom Erbe ausschliessen.
So funktioniert die gesetzliche Erbfolge
Wenn die Erblasserin oder der Erblasser kein Testament oder keinen Erbvertrag hinterlässt, wird der Nachlass nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt. Die Erbfolge folgt der Blutsverwandtschaft (inklusive Adoption), nähere Verwandte schliessen entferntere aus. Solange die Erblasserin oder der Erblasser Nachkommen hinterlässt, schliessen diese alle anderen Verwandten aus. Zudem erbt der oder die überlebende Ehepartner/-in bzw. der oder die eingetragene Partner/-in immer.
Die gesetzlichen Erbteile sind wie folgt:
Die Erblasserin oder der Erblasser hinterlässt
- nur Nachkommen: 100%
- Ehegattin/Ehegatten (50%) und Nachkommen (50%)
- Ehegattin/Ehegatten (75%) sowie Erbinnen und Erben im elterlichen Stamm, beispielweise Eltern, Geschwister oder Neffen und Nichten (25%)
- Ehepartner/-in (100%) sowie Erbinnen und Erben im grosselterlichen Stamm, beispielweise Grosseltern oder Onkel, Tanten und Cousins (0%)
Der Pflichtteil des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin bleibt bei 50% des gesetzlichen Erbteils.


Welche Möglichkeiten haben Sie?
Mit einem Testament (einseitige Verfügung) können pflichtteilsgeschützte Erbinnen und Erben auf den Pflichtteil beschränkt und weitere Personen (zusätzlich) begünstigt werden.
Die Pflichtteile
Pflichtteil der Nachkommen
Hinterlassen Sie eine/-n Ehepartner/-in und Nachkommen, beträgt der Pflichtteil des Ehepartners bzw. der Ehepartnerin 50% des gesetzlichen Erbteils und somit 25% des gesamten Nachlasses. Der Pflichtteil der Nachkommen beträgt ebenfalls 50% ihres gesetzlichen Erbteils, somit auch 25% des gesamten Nachlasses. Mit den revidierten Pflichtteilsbestimmungen kann man neu über 50% des Nachlasses selbstbestimmt verfügen, sei dies zugunsten einzelner gesetzlicher Erbinnen und Erben (z. B. Ehepartner/-in) oder Dritter. Bisher betrug die sogenannte «frei verfügbare Quote» in dieser Familienkonstellation lediglich 37,5%.
Pflichtteil der Eltern
Seit 2023 fällt der Pflichtteil für Eltern vollständig weg. Wenn keine Nachkommen, jedoch Eltern hinterlassen werden, können die Eltern von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen werden. Beispielsweise kann neu die Ehepartnerin bzw. der Ehepartner oder auch die Lebenspartnerin bzw. der Lebenspartner vollständig begünstigt werden (Alleinerbeneinsetzung).


Wie organisiere ich meine Erbschaftsplanung?
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Weitere wichtige Details zum Erbrecht
Säule 3a
Die Guthaben aus der Säule 3a (Versicherung oder Bank) einer verstorbenen Person fallen nicht in den Nachlass. Die Guthaben werden direkt und ausserhalb der Erbfolge an die Begünstigten als Kapital ausgezahlt.
Im Umfang des Rückkaufswertes (Versicherung) bzw. des ausbezahlten Kapitals (Bankenlösung) werden die Leistungen jedoch für die Pflichtteilsberechnung berücksichtigt. Dies gilt analog auch für Begünstigungen aus rückkaufsfähigen Versicherungsprodukten der Säule 3b.
Achtung bei Erbverträgen: Hier gilt Schenkungsverbot
Nach Abschluss eines Erbvertrags können zukünftige Schenkungen, ausser Gelegenheitsgeschenke, von den Vertragsparteien angefochten werden, wenn diese Schenkungsmöglichkeiten nicht ausdrücklich im Vertrag vorgesehen wurden. Dies ist auch bei vor 2023 abgeschlossenen Erbverträgen der Fall.
Ehepaare in Scheidung
Bei Ehepaaren in einem laufenden Scheidungsverfahren kann der Pflichtteilsschutz seit 2023 unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden. Im Scheidungsverfahren stehende Ehepartner/-innen können sich somit mit einer letztwilligen Verfügung von der Erbfolge ausschliessen.
Wissenswertes über das teilrevidierte Erbrecht
Dank des seit 2023 geltenden Erbrechts lassen sich heute unterschiedliche Lebensmodelle – von Patchwork-Familien bis zu Konkubinatspaaren – viel freier und individueller in der Nachlassplanung berücksichtigen.

Handlungsbedarf seit der Erbrechtsteilrevision 2023
Prüfen Sie Ihre bisherigen Testamente oder Erbverträge, um Auslegungsschwierigkeiten zu vermeiden. Möglicherweise sind Anpassungen notwendig.
Auf Folgendes sollten Sie achten
- Wenn Erbinnen und Erben auf den Pflichtteil beschränkt worden sind – soll dieser gemäss den neuen Bestimmungen gelten oder sollen die bisherigen Quoten weiterhin Bestand haben?
Beispiele:
-Sie sind verheiratet und haben zwei gemeinsame Kinder, die Sie zugunsten des Ehepartners / der Ehepartnerin auf den Pflichtteil beschränkt haben. Neu würden der Ehepartner 3/4 und die beiden Kinder je 1/8 des Nachlasses erhalten.
-Sie sind verwitwet und haben zwei eigene Kinder, die Sie zugunsten des Stiefkindes auf den Pflichtteil beschränkt haben. Bisher hätten die beiden eigenen Kinder je 3/8 und das Stiefkind 2/8 des Nachlasses erhalten. Nach neuem Recht würden die beiden eigenen Kinder je 1/4 und das Stiefkind 1/2 des Nachlasses erhalten. Wenn Sie diese Folgen nicht wünschen, müssen die bestehenden Testamente angepasst werden.
- Sollen aufgrund der Reduktion der Pflichtteile (Nachkommen) beziehungsweise des Wegfalls der Pflichtteile (Eltern) und der daraus resultierenden höheren frei verfügbaren Quoten andere/zusätzliche Personen begünstigt werden?
- Sollen beim Abschluss von Erbverträgen Vermögenszuwendungen an Dritte möglich sein? Wenn ja – an wen und in welchem Umfang?
- Ist ein Scheidungsverfahren im Gange oder absehbar? Soll der bisherige Ehepartner / die bisherige Ehepartnerin als Erbe bzw. Erbin ausgeschlossen werden?
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