«Koordination statt Diskussion» war das Thema des diesjährigen Claims Day-Herbstanlasses. Das geht am einfachsten, wenn sich alle betroffenen Akteure an einen Tisch setzen. Der Claims Day, die Fachtagung für Erwerbsunfähigkeit, hat es gleich vorgemacht und Vertreter aus Wirtschaft, Medizin und staatlichen Institutionen vereint.

Der Bundesrat hat sie im Februar 2017 verabschiedet: Die Botschaft zur nächsten Gesetzesrevision der IV. Die Massnahmen rund um die «Weiterentwicklung der IV» bildeten den Schwerpunkt des diesjährigen Claims Day-Herbstanlasses. Hauptzielgruppen dieser IV-Revision sind Kinder, junge Erwachsene und psychisch beeinträchtigte Menschen. Übergreifend über allem steht die Verbesserung der Koordination aller beteiligten Akteure. Ist die 7. IV-Revision die Lösung aller Probleme oder nur ein Tropfen auf den heissen Stein? Sechs Referenten beleuchteten die Thematik aus verschiedenen Perspektiven.

Frühzeitig handeln, Kündigungen verhindern

Maurus Huber, Leiter Claims und Business Services Unternehmenskunden bei Swiss Life, zeigte anhand der Swiss Life-Dienstleistung now@work® auf, dass es zubeobachten gilt, wie es den anwesenden Mitarbeitenden geht. Denn so wie es Gründe gibt, abwesend zu sein (z.B. Ferien, Unfall etc.), gibt es auch legitime Gründe, nicht anwesend zu sein (z.B. aufgrund eingeschränkter Leistungsfähigkeit). Diese Aussage unterstrich Ruth Vollmeier von der SVA Zürich in ihrem anschliessenden Referat. Sie erklärte, dass Arbeitgeber vermehrt Angestellte bei der SVA melden, die zwar gesundheitlich beeinträchtigt-, aber noch nicht arbeitsunfähig sind. Dieser positive Trend hin zu früherer und intensiverer Zusammenarbeit zwischen SVA und Arbeitgeber führe dazu, dass Kündigungen verhindert werden können.

Diagnose ist nicht gleich Diagnose

Im Anschluss referierte Marcel Bahro, Facharzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie. Er umschrieb die fünf psychischen Krankheitsbilder, die alle mehrheitlich zu Arbeitsunfähigkeit führen. Dabei betonte er, dass es bei jeder Diagnose immer auf den Einzelfall ankomme. Es gäbe Personen, die beispielsweise mit der Diagnose «Zwangsstörung» immer noch normal arbeiten können, während andere nicht mehr arbeitsfähig sind. Darum sei auch hier ein enger Austausch zwischen den involvierten Stellen wichtig.

Podiumsdiskussion: IV und Arbeitgeber sind in der Pflicht

In einer Podiumsdiskussion tauschten sich die Referenten darüber aus, wieso psychische Krankheiten im Fokus der aktuellen Reform «Weiterentwicklung der IV» liegen und ob die gewünschte Koordination der betroffenen Akteure tatsächlich funktionieren kann. Wichtiges Fazit: Nicht nur die IV, sondern jeder Arbeitgeber ist in der Pflicht wenn es darum geht, psychisch erkrankte Personen zu erkennen und mit den entsprechenden Stellen zu vermitteln.

Welche Rolle nimmt ein Case Manager bei einem IV-Fall ein?

Dieser Frage ging Maja Bracher nach. Sie ist Geschäftsführerin der Aviga AG, der grössten Anbieterin in der Schweiz für neutrales Gesundheits-, Care- und Case Management. Ein Case Manager weiss über die gesundheitliche Situation und die beruflichen Fähigkeiten seines Klienten Bescheid und tauscht sich mit dessen Arbeitgeber und Versicherern aus. Auch Bracher unterstreicht: Koordination und Kostensharing sind zentrale Erfolgsfaktoren wenn es darum geht, in einem IV-Fall schnell und unkompliziert zu handeln.

Der kontroverse Abschluss

Für einen kontroversen Abschluss sorgte Bettina Walser, Leiterin Finanzen & Personal beim Gartenbaucenter Ernst Meier AG. Das Unternehmen beschäftigt 15 Personen mit einer Beeinträchtigung, allerdings nicht aus purer Nächstenliebe, wie Bettina Walser unumwunden zugab. Die Gärtnerei gehöre zur Tieflohnbranche, die Arbeiten seien repetitiv, anstrengend und nicht immer gemütlich. Personal für diese Arbeiten zu finden sei nicht einfach. Die Belastung der Führungskräfte sei zudem chronisch hoch und das sei alles andere als optimal. Sie betont provokativ: «Ja wir integrieren, aber gesundheitsfördernd sind wir deswegen nicht unbedingt!». Voller Leidenschaft bot sie ihren Vorrednern mit direkten Aussagen die Stirn. Das schonungslose Referat gefällt auch dem Publikum: «Mein Highlight von heute war Frau Walser, ihr beherzter Auftritt war genial», sagt Karin Schmid vom medizinischen Dienst.

Der ganze Anlass kam bei den Gästen gut an. Sabrina Geissbühler, Swissbroke AG, führt an: „Heute war es sehr spannend. Mir gefällt, dass verschiedene Themengebiete angeschnitten und viele neue Zahlen präsentiert wurden. Vor allem auch Zahlen, die man gar nicht erwartet hätte.“Auch den Jüngsten gefällt der Anlass gut. Jacqueline Urena hat vor kurzem ihre Lehre bei Swiss Life angefangen und schätzt, dass Swiss Life auch Lernenden die Möglichkeit bietet, sich über diese spannenden Themen zu informieren: «Am besten gefallen hat mir der Vortrag von Marcel Bahro zu den Krankheitsbildern».

Der nächste Claims Day-Herbstanlass findet am 26. September 2018 statt.

Mélina Zaugg, Kommunikation Unternehmenskunden

now@work®

Die Dienstleistung now@work® für Unternehmenskunden geht über das klassische Absenzenmanagement hinaus und fokussiert mittels Echtzeiterhebung von Präsentismus und arbeitsbezogenen Aspekten auf «gesunde» Anwesenheit am Arbeitsplatz. Die Arbeitswelt verändert sich fundamental. Insbesondere die Digitalisierung und Flexibilisierung stellen Versicherer, Unternehmen und Mitarbeitende vor neue Herausforderungen. Swiss Life hat als Versicherer und Arbeitgeber ein vitales Interesse an gesunden und leistungsfähigen Versicherten und Mitarbeitenden. Deshalb wurde 2016 die Initiative ergriffen und in Kooperation mit dem Schweizerischen Versicherungsverband SVV sowie mit Partnern aus Wissenschaft und Wirtschaft das Konzept now@work® entwickelt. Dieses ermöglicht die Erhebung und das Monitoring von Kennzahlen zu «gesunder» Anwesenheit nicht nur retrospektiv, sondern erstmals auch in Echtzeit. Dabei wird die von Ort und Zeit unabhängige Arbeit (Mobile Office) ebenfalls berücksichtigt. Mit diesem Fokus werden relevante Grundlagen mit praktischer Relevanz geschaffen, welche als Basis für wirkungs-orientierte Massnahmen dienen.

Die 7. IV-Reform: «Weiterentwicklung der IV»

Im Februar 2017 hat der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Bundesgesetzes über die Invalidenversicherung, die «Weiterentwicklung der IV», verabschiedet. Das Ziel der Weiterentwicklung ist eine adäquate und koordinierte Unterstützung von Kindern, Jugendlichen und psychisch erkrankten Versicherten in Zusammenarbeit mit den beteiligten Akteuren, um das Eingliederungspotenzial der Versicherten zu stärken und so ihre Vermittlungsfähigkeit zu verbessern.