Die Gründe, wieso Mitarbeitende der Arbeit fernbleiben, sind unterschiedlich: Krankheit, Urlaub, Unfall, familiäre Verpflichtungen, Mutterschaft oder Militärdienst. Solche Absenzen verursachen organisatorischen Aufwand und Kosten. Eine Dokumentation dieser Fehlzeiten kann Unternehmen deshalb helfen, die Ursachen für die Absenzen zu erkennen.

So können sie den Mitarbeitenden individuelle Unterstützung anbieten, um beispielsweise Langzeitabsenzen vorzubeugen. Neben diesem Absenzenmanagement gibt es jedoch vermehrt Unternehmen, die ihren Fokus nicht mehr auf den „Krankenstand“, sondern auf den „Gesundheitsstand“ legen. Einige zahlen sogar Anwesenheitsprämien als Belohnung für wenige oder gar keine Absenzen aus.1 Bei diesem Konzept wird eine geringe Absenzquote als Erfolg interpretiert. Befasst man sich aber eingehender mit den langfristigen Folgen dieses Ansatzes, zeigen sich mögliche Nebenwirkungen.

So kann eine Verringerung der Absenzen über diesen Ansatz zu Präsentismus führen. Gemeint ist die Anwesenheit am Arbeitsplatz trotz gesundheitlicher oder anderweitiger Beeinträchtigung, die eine Abwesenheit legitimiert hätte2. Eine hohe Anwesenheitsquote ist also kein hinreichender Beleg für einen zufriedenstellenden Gesundheitszustand des Mitarbeitenden bzw. für ein „gesundes“ Unternehmen.  

Anwesenheit trotz beeinträchtigter Leistungsfähigkeit kann negative Auswirkungen haben. Dazu zählen finanzielle Verluste sowie die Abnahme der Produktivität, der Innovations-, der Konzentrations- und der Leistungsfähigkeit. Ausserdem kann sich dadurch das Unfallrisiko und die Fehleranfälligkeit der Mitarbeitenden erhöhen.Untersuchungen haben gezeigt, dass Personen, die im Jahr sechsmal oder häufiger trotz eingeschränkter Leistungsfähigkeit zur Arbeit gehen, ein um 74% höheres Risiko aufweisen, später länger als zwei Monate auszufallen.4 Die Folgekosten von Präsentismus sind bis zu zehnmal höher als jene von Absentismus.5 Die Gründe für Präsentismus sind vielfältig: Die Arbeit zu Ende führen wollen, das Verantwortungsgefühl gegenüber Kunden und Mitarbeitenden, Vorgesetzte nicht enttäuschen oder der entgegengebrachten Wertschätzung gerecht werden wollen.1

Für einen Paradigmenwechsel vom alleinigen Fokus auf die Absenzen hin zu gesunder Anwesenheit und gesundheitsförderlicher Gestaltung der Arbeit sind neben der Selbstverantwortung der Mitarbeitenden das Vorgesetztenverhalten und die Unternehmenskultur zentral. Die Thematik sollte im betrieblichen Gesundheitsmanagement verankert werden, um Mitarbeitende und Vorgesetzte stärker für Präsentismusverhalten bei sich selber und anderen zu sensibilisieren. Insbesondere Vorgesetzte sollten sich der möglichen negativen Folgen wie erhöhtes Fehlerrisiko, Beeinträchtigung von Kundenbeziehungen und Produktivitätsverlust bewusst sein.

Quellenangaben:

1 Ulich, E. & Nido, M. (2014). Präsentismus – auch ein Ergebnis persönlichkeitsförderlicher Arbeitsgestaltung? In iafob (Hrsg.) Unternehmensgestaltung im Spannungsfeld von Stabilität und Wandel. Neue Erfahrungen und Erkenntnisse. Bd. 2 (2016). Zürich: vdf Hochschulverlag AG.

2 Ulich, E. (2013). Präsentismus. In Wirtz, M.A. (Hrsg.). Dorsch – Lexikon der Psychologie. 16. Auflage (S. 1212). Bern: Hans Huber.

3 Voermans, S. & Ahlers, G. (2009). Präsentismus: Krank zur Arbeit: Was kosten uns „tapfere“ Kollegen? 2. Bremer Fachaustausch „Gemeinsam neue Wege“. Bremen, 30.01.2009.

4 Hansen, C.D. & Andersen, J.H. (2009). Sick at work- a risk factor for long-term sickness absence at a later date? Journal of epidemiology and community health, 63 (5), 397-402.

5 Collins, J.J. , Baase, C. M., Sharda, C.E., Ozminkowski, R.J., Nicholson, S., Billotti, G.M., Turpin, R.S., Olson, M. & Berger, M.L. (2005). The Assessment of Chronic Health Conditions on Work Performance, Absence, and Total Economic Impact for Employers. Journal of Occupational and Environmental Medicine, 47 (6), 547-557.

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